von Andreas Gahr, Thomas Urban, Joachim Kesting und Anthony Vilano
Die Ausrichtung von kommunalen Entscheidungen u.a. an den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen hilft uns allen – eine Gemeinwohlbetrachtung anhand praktischer Beispiele
Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich und selbstverständlich dazu gehört. Und das bedeutet, dass jeder unabhängig von seinen individuellen Merkmalen und Fähigkeiten am gesellschaftlichen Leben in einer Kommune teilnehmen darf und kann. Und gerade im „Jubiläumsjahr der Inklusion“, also 10 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland, gibt es auch in unserer großen Kreisstadt Dachau diesbezüglich noch viel zu tun.
Zudem muss man bedenken, dass jeder Einzelne in seinem Leben zeitweise oder dauerhaft „Behinderungen im Leben“ ausgesetzt sein wird/kann, z.B. durch Mobilitätseinschränkungen bedingt durch Alter, Verletzung oder Unfall. Die noch auszubauende Barrierefreiheit hilft beispielsweise auch Müttern oder Vätern, die mit Kinderwagen unterwegs sind.
Und wie man mit diesem Thema als kommunale Partei umgeht, wirft u. E. ein gutes Bild auf deren Leistungsbereitschaft im Sinne der Allgemeinheit.
Da wäre zum Beispiel das Thema „Verbesserung der Erreichbarkeit für die Dachauer Altstadt“. Jeder weiß, dass der Altstadtberg nicht von jedem Bürger in unserer Stadt so einfach und ohne weitere Umstände besucht werden kann. Um dies wesentlich zu verbessern, wurde im Stadtrat diskutiert, die Bushaltestelle barrierefrei umzugestalten und die Fußwege mit Laufstreifen zur besseren Begehbarkeit umzurüsten. Für uns alle hätte dies bedeutet, dass der Busverkehr in die Altstadt dann in den gewünschten 10-Minutentakt hätte wechseln können. Kann es bei dieser Entscheidung ein „ABER“ geben? Wir meinen NEIN. Dennoch wurde dieser Beschlussvorschlag von einer Ausschussmehrheit von CSU, Freien Wählern und Bürgern für Dachau abgelehnt, weil hier – „bitte festhalten“ – 4 Parkplätze wegfallen würden. Das heißt, 4 Parkplätze wurden dem Gemeinwohl übergeordnet.
Ein weiteres Beispiel zeigt sich an der seit inzwischen 3 Jahren herrschenden Diskussion um die Dachauer Eishalle. Der ESV Dachau Woodpeckers e.V. hatte ein Konzept für eine neue, multifunktionale Eishalle ausgearbeitet, die es ermöglicht hätte, sowohl während der Eissaison im Winter als auch in den Sommermonaten – dann aber ohne Eis – diese Sportstätte sowohl für Breiten- und Leistungssport als auch für Behindertensport inklusiv nutzbar zu machen. Dieses wirklich einmalige Konzept wurde von Sponsoren und von Fördergebern wie dem Bayerischen Landessportverband derart geschätzt, dass zusätzliche Finanzbeiträge von mehr als 5 Mio.€ für den Bau dieser neuen Eishalle ausgelobt wurden. Deutlich mehr, als üblicherweise zu erwarten gewesen wäre. Leider haben auch hier konservative Fraktionen wie die Dachauer CSU und die Freien Wähler das Konzept im Stadtrat abgelehnt, zum Schaden für Menschen mit Behinderung UND zum Schaden des städtischen Haushalts, dem diese finanzielle Entlastung dadurch genommen wurde. (Hinweis am Rande: Jene eben genannten Parteien sind gleichzeitig diejenigen, die Monate danach den Haushalt der Stadt Dachau wegen der angespannten Finanzsituation ablehnten). Statt sich über die Haushaltseinsparoptionen zu freuen, wurden stattdessen Fragen gestellt, ob „…beispielsweise die Menschen mit Behinderung jetzt uns (gemeint sind wahrscheinlich wir, die „gesunden und normalen Fußgänger“) die Nutzungszeiten wegnehmen würden/könnten…“. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass bei manchen Entscheidungen das „Ich“ eine größere Rolle spielt als das „Wir“.
Anhand dieser Beispiele sieht man, dass Entscheidungen, die für die Unterstützung, wenn nicht gar die Lebenserleichterung im Alltag und der Freizeit für die Schwächeren in einer Gemeinschaft gedacht sind, gleichzeitig auch immer einen Mehrwert für die gesamte Gesellschaft mit sich bringen würden.
Jeder, der sich wie wir schon mit Menschen mit Behinderung beruflich beschäftigt oder diese auch trainiert hat, weiß, dass diese Unterstützung und Trainingsstunden allen Beteiligten einen enormen Zugewinn für ihr alltägliches Leben und das Selbstwertgefühl bringen. Und anhand der Caritas Flügelflitzer, bei deren Trainingsstunden beim ASV regelmäßig Jugendspieler des ASV Dachau zum Mitspielen dazustoßen, sieht man, dass der Sport uns alle verbindet. Inklusion heißt also nicht nur die praktische Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vor Ort in unserer Stadt, Inklusion muss in erster Linie in den Köpfen der Menschen stattfinden.
Gemeinsam leben heißt auch zusammenwachsen. Anhand der o.g. Beispiele erkennt man, dass „All inklusiv“ gut für alle ist.